Mariel Gottwick, 2018, Video, 5 Min.

 

„Kein Rückgaberecht“

In einer saturierten Gesellschaft, so scheint es, herrscht ein Mangel an emotionalen Erfahrungen, ein Hunger nach aufregenden Erlebnissen und Ausnahmezuständen. Die Werbewelt reagiert darauf, indem ihre angepriesenen Produkte an Emotionen gekoppelt werden und die Werbebilder führen uns vor, was man braucht und wie man aussieht, wenn man „dazu gehört“, zur dauerjubelnden, strahlenden Gesellschaft. Bei Nichtgefallen kann das Rückgaberecht Abhilfe schaffen. Sollten innerhalb von 2 Wochen aber die Wünsche und Sehnsüchte unerfüllt bleiben, greift die Rückgabe – Garantie nicht.

 

 

 


 

 

 

 

Mariel Gottwick, 2008 – 2018, Schneekugeln, Plastiktragetaschen in Kugeln gepresst, H 9cm x Ø 6cm, Sockel 10x10x10 cm

 

„Blühende Landschaften“

Schneekugeln, ein beliebtes Spielzeug nicht nur für Kinder, lassen Comicfiguren, Weihnachtsmänner oder Madonnen in märchenhaften Schneelandschaften auftauchen, oder es erscheinen Fotos darin von geliebten Menschen in einer Aura glitzernder Unschärfe.

Die Schneekugeln dieser Installation beinhalten bunt bedruckte Plastiktüten verschiedenster Unternehmen, dicht zusammen gepresst auf wenige Quadratzentimeter verwandeln sich die Werbeaufdrucke der Tragetaschen zu wunderschönen, fantastischen Miniaturlandschaften, umhüllt vom Glanz und der Reinheit frisch gefallenen Schnees. 

Der Titel, „Blühende Landschaften“, nimmt augenzwinkernd Bezug auf ein Zitat von Helmut Kohl von 1990 als der Kanzler den Neuen Bundesländern eine großartige Zukunft voraussagte, nämlich dass sich diese in „Blühende Landschaften“ verwandeln werden, eine schöne Umschreibung für marktwirtschaftlichen Aufschwung. Unter den kleinen Kuppeln tut sich die Wunderwelt des Corporate Identity auf, mit ihren verführerischen Erscheinungsbildern und ihren schillernden Farbkompositionen. Je nach Bekanntheitsgrad des jeweiligen Unternehmens, schimmert dessen Platz auf dem heiß umkämpften Markt, mehr oder weniger durch die Landschaften hindurch.

 

 

 


 

 

 

 

Mariel Gottwick, 2015, Installation mit Produktschachteln, 6 Motive (Abb. aus Foto-Composing-Serie), je DinA 6, H14,8 cm x B10,5 cm

 

 

„Wiederbelebung“

Fabrikneue Konsumgüter werden mit großem Arbeitsaufwand industriell künstlich gealtert. „Aged“ nennt man das in der Modewelt, wenn man einer brandneuen Jeans den Charme eines abgetragenen Lieblingsstücks verleiht. Solchen Hosen wird eine vorgetäuschte Identität verpasst. Wie von älteren Geschwistern abgetragen sehen sie aus; abgewetzt und verschlissen, wie zum x-ten Mal gewaschen. Mit so einer vorzeitig gealterten Hose schmückt sich, wer jung und trendy wirken möchte. 

Falten rein in die Hose, Falten raus aus dem Gesicht – es scheint kein Widerspruch darin zu liegen – im Falten Wegspritzen und dem Tragen einer Jeans im Used-Look. 

„Alt macht jung“, denke ich und verpflanze Stücke von „aged Jeans“ in Model – Gesichter von Dior oder GUCCI, in ewig junge Gesichter, ohne Falten, ohne Pickel, ohne jede Pore, mit einer Haut ohne eine Spur von Vergänglichkeit, und Leben. Mit der „Transplantation“ von ausgewaschenen, zerrissenen Jeansfetzen, in die Haut der Models, versuche ich eine Art Wiederbelebung. Aus ikonenhaften Gesichtern werden Portraits, von denen sich Geschichten ablesen lassen, Geschichten von künstlichem Alter und künstlicher Jugend.

 

 

 


 

 

 

 

Mariel Gottwick, 2006 / 2008 Installation, 4 Serien, jeweils fünfteilig, pro Serie: 1 Schwenkfahne (180 x 100 cm), 1 Spielbrett (30 x 30 cm), 1 Sporthemd, 1 Malerei (110 cm x 110 cm), 1 Zigarettenschachtel

 

 

„Be different“

Die Initialzündung für meine Arbeit „be different“ gab das größte Spiele – Spektakel der letzten Jahre in Deutschland – die Fußballweltmeisterschaft 2006. Der optische Auftritt verschiedenster Gruppierungen, war der Anlass für die Auseinandersetzung mit der symbolischen Kraft der Zeichen, im Spiel und auch im „realen“ Leben. Die Differenzierung unterschiedlicher gesellschaftlicher Systeme vollzieht sich in einer systemabgrenzenden und identitätssichernden Weise, die heute verstärkt durch optische Zeichen manifestiert wird. (…) 

Das Systemspezifische wird also durch äußere Zeichen symbolisiert; Symbole, hinter denen traditionell bestimmte Werte wie Qualität, Status, Macht, usw. stehen. An die äußeren Merkmale sind auch bestimmte Erwartungen gekoppelt. 

In dieser Arbeit spiele ich selbst ein Spiel. Bekannte Symbole, leicht abgewandelt, dennoch gut wiedererkennbar, übertrage ich jeweils auf 5 verschiedene „Träger”. Ich mache sichtbar, wie sich durch das Übertragen eines Zeichens auf verschiedene Trägerobjekte, die Konnotationen verschieben. Mein Augenmerk liegt auf der Austauschbarkeit spezifischer Zeichen innerhalb unterschiedlicher Bereiche wie Sport, Ökonomie, Kunst, Nationalität oder Spiel. (…)

In der Austauschbarkeit wird deutlich wie geschmeidig und anpassungsfähig sich das Zeichen den verschiedenen Bereichen unterordnet. Das legt die Vermutung nahe, dass hinter den Symbolen gar keine Inhalte mehr stehen und sie nur künstlich mit Werten aufgeladen werden.