„Wurstwesen“

2014, Fotografie / Fotocomposing, 6 – teilig, 6 Dibondplatten, rund, 20 cm Durchmesser

Ich erinnere mich an ein Bild aus meiner Kindheit in Westfalen, es war „Wurstetag“ bei uns Zuhause. Mir gegenüber, die weiße Schürze blutverschmiert, steht ein großer, kräftiger Mann vor einem Trog mit frischem, rotem Schweineblut. Seine dicken, wurstigen Hände greifen tief in die blutige Brühe, die Wurstmasse vermengend. Er rührt mit seinem Zeigefinger im Brei umher und steckt sich den leuchtend roten Finger in den Mund. Er grinst mich an: Na, auch mal probieren? Aber ich kann meinen Finger nicht in das Blut tauchen, und ihn ablutschen. Zu diffus ist für mich die Grenze zwischen dem Lebendigen und dem Lebensmittel. 

Die Arbeit Wurstwesen umfasst eine Serie von 6 Fotografien, gedruckt auf Dibondplatten. Abgebildet sind Teller mit farblich abgestimmten Rändern, auf denen jeweils eine rosafarbene Wurstscheibe in Form eines stilisierten Bärchens liegt. Die Scheiben sind, wie Wandteller, leicht nach vorn gekippt, in Augenhöhe, nebeneinander gehängt.

Man kennt sie, die Bärchenwurst – die bräunlich, rosafarbenen Wurstscheiben in Form eines grinsenden Teddybärchens. Für diese Wurst wird kein Bär gejagt und erlegt. Eine „arme Sau“ muss dafür ihr Leben lassen. Auf dem „Transportweg“ vom Schwein zum Endprodukt verschwindet jede Referenz zum individuellen Lebewesen. An diese Stelle ist die Referenz zum Hersteller getreten. Branding heißt das. 

Anders, als die fürs Kinderfrühstück designte Bärchenwurst, weisen die Wurstscheiben auf den Fotografien nicht die rosa – glänzende, glatte Oberfläche auf, sondern großporige, faltige Haut mit stoppeligen Haarborsten, die von blauen Blutäderchen durchzogen ist. Es ist die Haut meines eignen Körpers in ihren intimen Details. So gebe ich den Bärchen von meiner Haut, von dieser atmenden, durchlässigen Grenze, die Organismus und Welt, zugleich trennt und verbindet.

 


 

 

„Flammende Hähnchen“

2014, aus der Serie „Bilder vom Essen“,

Digitalfotografie, 140 x 70  cm

 


 

 

„Schmuckstück I“

2014, Objekt aus Fruchtgummi / Zuckerperlen / Bonbons in Schmuck-Schatulle

34 cm Durchmesser

„Schöner Wohnen“ wurde mit dem Erscheinen des gleichnamigen Magazins zum Begriff. „Schöner Essen“ hingegen erscheint den meisten Menschen noch immer absurd – „Essen kann wohl gut sein, aber nicht schön …“. Und doch ist einem die Redewendung „Das Auge isst mit“ wohl vertraut. Seit das Essen bildwürdig geworden ist, orientiert man sich in seiner Vorstellung vom Essen mehr und mehr an den Bildern vom Essen. Lebensmittel dürfen hier nicht nur schön sein, sie müssen sogar schön sein. Im Zuge der „Medialisierung“  entfernt sich das Lebensmittel immer mehr von seinem eigentlichen Zweck – der Ernährung. 

Das Schmuckstück (Bild unten) ist ausschließlich (bis auf ein paar Zentimeter Nylonfaden und einzelnen Klebepunkten) aus essbarem Material gefertigt. Schon der unbearbeitete Zustand dieser essbaren Lebensmittel (Bunte Schnüre, Fruchtschlangen, Jelly Bellies) erinnert nicht im entferntesten an Essen. Die Farbigkeit und die Materialität lässt alle möglichen Assoziationen einer Nutzbarkeit zu.

Mit der Verarbeitung der Süßigkeiten, die ich nur noch als Materialien in Hinblick auf ihre Verarbeitungsmöglichkeiten betrachtet habe, ist ein Schmuckstück entstanden, das die Maniriertheit der Lebensmittelproduktion auf die Spitze treibt.